Notiz_11
Bahnhofstoilette in Linz. Ich muss mit Bedauern feststellen, dass
kein Kleiderhaken vorhanden ist. Ich ziehe Mantel und Schal aus, lege sie
vorsichtig auf meinem Koffer, mit dem ich mir die eineinhalb Quadratmeter
teilen muss. In der Toilette nebenan telefoniert ein Mann auf Ungarisch mit
seiner Frau oder Freundin. Ich versuche nicht zuzuhören. Ich setzte mich auf
die Schüssel.
Hast du die Donau gesehen bei Passau?
Vera…
Fünf Zugstunden lang habe ich die große Tasse Kaffee und die
drei Zigaretten bereut, die ich heute Morgen um sechs Uhr auf leeren Magen konsumiert
habe.
Und der Nebel über dem Fluss?
Vera, bitte…
Mir fällt ein, dass ich die Kloschüssel nicht geputzt habe.
Jetzt ist es sowieso zu spät.
Und die Ruderer? Donauruderer im Nebel.
Schön.
Vera, bitte, jetzt nicht.
Wie
lange müssen wir noch im Zug sitzen? Gar nicht lange. Bald sind wir in Ungarn,
da ist es schön. Österreich ist auch schön, vorausgesetzt wir sehen die Donau.
Vera, könntest du draußen auf mich
warten?
Der Mann nebenan hat aufgehört zu sprechen. Der Gedanke, dass er
zuhören könnte, ist nicht wirklich angenehm.
Wir
sollten mehr mit dem Zug fahren. Österreich ist auch schön, aber die Strecke
von Salzburg nach Villach ist schöner als die zwischen Linz und Wien. Die Berge
machen den Unterschied. Wann war das letzte Mal, dass du nach Budapest mit dem
Zug gefahren bist? Hast du gesehen, wie dicht der Nebel war? Alles weiß! Ist es
nicht lustig?
Vera.
Ich war zu laut. Jetzt bin ich sicher, dass der Mann nebenan zuhört.
Hast
du Hunger? Ich habe Hunger. Ich möchte keinen Kaffee jetzt. Vielleicht werde
ich im letzten Stück Österreich einfach schlafen. Wir werden gerade bei Sonnenuntergang
da sein, ist es nicht schön?
Vera, lass mich bitte ganz kurz… Ich
bin gleich fertig… Könntest du draußen auf mich warten bitte?
Ich höre die Tür auf und zugehen. Vielleicht ist sie jetzt
draußen. Vielleicht kann ich mit meinen Geschäften fertig werden und der Mann
nebenan wird vor mir die Toilette verlassen und mich nicht sehen werden.
Vielleicht.
Die
Brötchen der Bäckerei sehen nicht so gut aus. Aber wir haben gar keine andere
Wahl, denke ich.