Notiz_12
Zwanzig Weinflaschen stehen auf dem Regal vor mir, aber das ist
nicht allzu wichtig. Die Bilder an der schwarzen Wand links vor mir hängen
schief. Alle fünfzehn. Dreißig Strohheime stecken in dem Halter zu meiner
rechten. Zehn Leute stehen in der Schlange vor der Kasse. Von den acht Stühlen
am Tisch, sechs sind besetzt. Unmittelbar vor mir hält eine junge Frau zehn
Euro in der Hand. Sie hat einen sehr schönen schwarzen Mantel und isst
unmittelbar vor mir Gulaschsuppe aus einer Plastikschüssel. Jetzt sind nur fünf
Plätze besetzt.
Langweilst du dich?
Ich könnte jetzt sagen, dass wieder sechs Plätze besetzt sind.
Aber das ist nicht war. Die Reihe Stühle links von mir ist leer. Und doch sitzt
Vera neben mir.
Nein. Ich
denke, ich bin ein bisschen nervös.
Wieso?
Ich weiß es selbst nicht. Mein
Perfektionismus in der Gastfreundschaft stoßt mit dem schmerzlichen Bewusstsein
meiner vor allem finanziellen Grenzen zusammen. Und da der Zusammenprall in
meinem Kopf stattfindet, bin ich am Abgrund vor dem Kopfweh. Und ich bin
nervös.
Die junge Frau hat die Suppe aufgegessen, jetzt hält sie ihr
Handy in den Händen und tippt. Sie trägt einem kleinen Kreuz um den Hals und
spricht eine Sprache, die ich nicht erkenne. Es interessiert mich auch nicht
besonders. Jetzt steht sie auf und geht, zusammen mit ihrer Familie. Für eine
Handvoll Sekunden sind sieben von den acht Stühlen frei. Dann eine blonde ungarische
Frau mit einem roten Frauensakko setzt sich hin mit einem Mann, der ihr Vater
oder ihr Mann sein könnte.
Verspätung.
Wie?
Der Flug hat Verspätung.
Die Frau steht auf, gefolgt vom Mann. Ich bin mir sicher, er ist
ihr Vater.
Jetzt bin ich
noch nervöser.
Mit Veras Augen sehe ich, wie die Flugzeuge langsam Landen im
gelb beleuchteten Weißen Land. Ob sie pünktlich sind oder nicht, ist ohne
Fahrpläne nicht allzu wichtig.