Wo Vera ist
Also kam Vera nach Coburg und brachte mit sich den weißen
Himmel. Sie liegt im Bett neben mir im hellgrünen Zimmer, die Augen fallen ihr
zu.
Müde?
Meine Beine tun weh. Seit drei Tagen schon.
Die leise, verschlafene Stimme. Ich merke, wie ihr Kopf schwerer
wird.
Jetzt
nur warten. In wenigen Stunden ist es dann soweit, dann ist es auch wieder
vorbei. In wenigen Stunden nur, dann werde ich wieder im Zug sitzen, dann werde
ich wieder zurücklassen diese Müdigkeit und diese feuchte Winterzeit, wie
Matsch unter den Stiefeln werde ich sie trocknen lassen unter einer fernen
Sonne, barfuß werde ich tanzen in der Wüste bis der Regen wieder fällt.
Ich höre die Stimmen aus dem Wohnzimmer unter mir. Die letzten
Vorbereitungen. Ich denke an grauen Gebäude in gelbem Licht gebadet am Ufer von
nassen Alleen. Auf einer einsamen Brücke stehen Vera und ich, leise und
verschlafen schauen wir auf den unsichtbaren Fluss, der unter uns fließt. Wir
können das Wasser nicht sehen, wir spüren aber, wie es fließt. Und ich sehe
Vera und mich mit dem Fluss zusammen fließen, gleichzeitig auf der Brücke
stehen, die keine Ufer verbindet. Um uns herum unendliche weiße Landschaften.
Ich weiß selbst
nicht mehr, wie ich mich fühle.
Meine
Beine tun weh. Ich könnte jetzt alles verlassen, sogar mich selbst, mit dem
weißen Himmel verschmelzen und vergessen, dass ich je Beine gehabt habe, die
weh tun können.
Ich greife Veras Hand. Sie macht die Augen auf. Das Zimmer leuchtet grün und weiß, die Bäume draußen nicken langsam mit ihren vertrockneten
Blättern.
Bleib.
Ja.
Vera dreht sich zur anderen Seit, zieht sich die Decke über den
Kopf. Die schmutzigblonden Haaren zeichnen wie Flüsse Landschaften auf dem
Kopfkissen. Ich höre De Andrè die
Apokryphen Evangelien singen.
Trotzdem schön, nicht alleine zu sein im
Inneren.
Ja…
Ich mache die Augen zu.