Notiz_20
Ich habe das Licht im Bad angelassen. Ich sehe vom Bett aus das
gelb beleuchtete Schlüsselloch, höre die summende Lüftung. Ich stehe auf und mache
das Licht aus. Habe ich die Heizung im Wohnzimmer zugedreht? Ich öffne die Tür,
gehe durch den dunklen Gang ins Wohnzimmer. Vom Fenster kommt das grelle
Straßenlampenlicht herein. Die Heizung ist aus. Ich gehe zurück ins
Schlafzimmer, lege mich ins Bett, decke mich zu. Ich bleibe ein wenig so
liegen. Es ist kalt. Ich habe das Fenster nach dem Duschen zu lange
aufgelassen. Ich hole mein Büchlein von der Kommode und übersetze ein paar
Zeilen Weöres Sándor. Mind más és
mindig más és mégis mindig azonos. Tutto è differente e sempre è differente e
comunque è sempre identico. Alles ist anders und immer anders und doch
ist alles gleich. Ich klappe das Buch zu und lege es auf der Kommode. Die
Vorhänge sind offen. Ich mag es, morgens vom Sonnenlicht aufgeweckt zu werden. Ich
werde heute Nacht die Heizung hier anlassen. Heute Morgen war es so fürchterlich
kalt. Morgen ist Sonntag, aber Morgen ist Heute, also heute ist Sonntag. In
zwei Tagen fahre ich nach Coburg. Mein Zug fährt um sechs Uhr zwanzig ab. Eine
schöne Uhrzeit für einen Zug. Ich werde bis Göttingen schlafen. Dann werde ich
versuchen, bis Nürnberg wach zu bleiben. Die letzte Strecke werde ich mit dem
Regionalzug fahren. Dort kann ich wieder schlafen. Ich habe noch nicht
entschieden, ob ich mir Kaffee kochen soll, bevor ich zum Bahnhof gehe.
Vielleicht kann ich am Montag einen Schluck übrig lassen. Ich werde mir
Brötchen aufbacken. Ich sehe die Küche in der Dämmerung, spüre die Wärme des
Ofens. Heute bin ich nicht aus dem Haus gewesen. Trotzdem fühle ich mich müde.
Ich sollte schlafen jetzt. Ich sollte wirklich schlafen. Alles ist gleich und
immer gleich und doch immer anders.
Gute Nacht,
Vera.
Gute Nacht.